ER WOLLTE DOCH NUR FAHRRADFAHREN. ABER DANN HAT’S PLÖTZLICH „KLICK“ GEMACHT: EIN VIDEO-CLIP MACHTE DANNY MACASKILL ZUM STAR – WEIL ER UNS DARIN ZEIGTE, DASS DIE GANZE WELT EIN PLAYGROUND IST.

 

Danny, dein YouTube-Video „Inspired Bicycles“ wurde mehr als 30 Millionen Mal angeklickt. Es begeistert selbst Menschen, die nicht einmal ein eigenes Rad haben. Kannst du dir diese Faszination für dein Video erklären?

Es ist in der Tat unglaublich, wie viele sich dafür interessieren. Offenbar gefällt den Menschen die Art und Weise wie ich Rad fahre. Vielleicht liegt es daran, dass ich im Grunde genommen ganz einfache Tricks mache. So kann man sich leichter damit identifizieren. Ich springe nicht über spezielle Rampen, es sind keine komplizierten technischen Manöver. Ich nutze einfach die Gegebenheiten der Straße – ich freue mich über das, was die Stadt mir bietet.

 

 

Mauern, Zäune und Schranken sollen das städtische Leben ordnen. Sie limitieren und begrenzen es. Du hast den Spieß einfach umgedreht und in Edinburgh genau diese Begrenzungen genutzt, um dich selbst zu verwirklichen …

Für mich ist die Stadt kein Ort, der mich einengt, sondern ein riesiger Spielplatz, auf dem ich kreativ sein kann. Das inspiriert mich! Und ich genieße es sehr, meine direkte Umgebung in meine Aktivitäten miteinzubeziehen.

Würdest du dich eher als Sportler oder als Artist bezeichnen?

Ich liebe die Freiheit, es ist am schönsten, ohne die Regeln eines Wettkampfes zu fahren. Keiner sagt mir, was ich zu tun habe, was erlaubt ist, und was nicht. Es ist also schon eine sehr individuelle Tätigkeit. Aber, ob es nun Sport oder Artistik ist? Keine Ahnung – ich denke, es ist eben das, was ich tue.

Bist du ständig am Nachdenken, was du auf dem Rad alles anstellen könnest?

Ich muss gar nicht nachdenken, es kommt einfach zu mir. Wenn ich durch die Stadt fahre, dann ist es, als würde ich in einem Buch lesen. Ich sehe mich um, und die Ideen prasseln geradezu auf mich ein. Es gibt so viele Möglichkeiten, manchmal weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll.

»Ich denke, dass man eben gut sein muss, in dem was man tut.«

Danny MacAskill

Es heißt, du seist schon als Kind schwer zu bremsen gewesen?

Stimmt, ich war hyperaktiv. Deshalb kann ich froh sein, dass ich dort draußen auf der Isle of Skye aufgewachsen bin. Wir hatten viel Platz, ich konnte mich im Garten austoben. Im Alter von vier Jahren bekam ich mein erstes Rad, und wenn ich nicht damit unterwegs war, habe ich andere Experimente gemacht, bin aus drei Meter Höhe von Bäumen gesprungen und habe Saltos geübt. Außerdem hatte ich viele Freunde, wir waren am Wochenende beim Campen oder sind mit dem Boot gefahren. Ich glaube, in einer Stadt wäre meine Kindheit anders verlaufen. Vielleicht hätte ich richtig dumme Dinge getan. So konnte ich meine Energie irgendwo im Nirgendwo loswerden. Das war sicher die beste Lösung.

Trotzdem heißt es, es habe Probleme mit der Polizei gegeben. Wegen des Radfahrens?

Die Polizeistation war nur hundert Meter von unserem Haus entfernt. Im Winter ist die Gegend wie ausgestorben, aber im Sommer sind viele Touristen auf der Insel. Ich war jeden Abend mit dem Rad unterwegs, bin zwischen den Menschen auf der Straße rumgekurvt, habe meine Tricks und Kunststückchen geübt, bin auf Bänke und über Mauern gesprungen. Das haben die Polizisten nicht gerne gesehen.

Sie wollten, dass du so Rad fährst wie andere Menschen auch …

Naja, sie haben mich weggeschickt, ich bin abgehauen und wiedergekommen. Irgendwann hatten wir eine Art Privatfehde, die Polizisten haben mich buchstäblich am Ohr zurück nach Hause gezogen. Einmal haben sie mir den ganzen Sommer das Rad weggenommen. Das war schrecklich! Aber heute muss ich natürlich schmunzeln, wenn ich mich daran erinnere …

Hattest du zu dieser Zeit schon vor, später einmal professionell Rad zu fahren?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin einfach gerne gefahren, saß jeden Tag Stunden im Sattel. Auch, als ich nach Edinburgh gezogen bin, war das noch kein Thema. Aber dann stellte ich vor drei Jahren das Video online, und auf einmal bekam alles eine unglaubliche Eigendynamik. Heute denke ich, dass man eben gut sein muss, in dem was man tut. Der Rest kommt wohl von selbst.

Um so gut zu werden, braucht man vor allem Geduld. Warum bist du so gut darin, geduldig zu sein?

Geduld hatte ich schon immer. Ich habe ich mir jeden Abend Kopfhörer mit guter Musik aufgesetzt und bin Rad gefahren. Dabei wollte ich immer etwas Neues lernen. Wenn es nicht funktioniert hat, habe ich es am nächsten Abend wieder versucht.

Zu sehen ist das in der ersten Szene von „Inspired Bicycles“: Du willst auf einem wenige Zentimeter breiten Zaun entlang fahren und scheiterst immer wieder. Es heißt, es habe acht Stunden gedauert bis du es schließlich geschafft hast.

Insgesamt waren wir vier Tage lang an diesem Zaun beschäftigt. Dabei muss man aber auch mal an meinen Kumpel Dave denken, der das gefilmt hat. Er lag die ganze Zeit auf der Straße, hat gefroren und jeden einzelnen Versuch mit der Kamera aufgenommen.

Du bist stundenlang ein ums andere Mal vom Zaun gefallen. Was treibt einen dazu an?

Du weißt, dass du es schaffen kannst! Das ist der entscheidende Punkt. Und dann dauert es eben. Tage oder Wochen. Wegen mir auch Monate. Mich macht es einfach glücklich, etwas so lange zu versuchen, bis es schließlich klappt. Wichtig ist nur, dass du relaxed dabei bleibst.

Bleibst du auch relaxed, wenn du einen gefährlichen Stunt übst?

Naja, ich bin schon von Mauern gesprungen, vor denen ich wirklich Angst hatte. Von der Burgmauer in Edinburgh zum Beispiel. Aber ich versuche, mich im Rahmen meiner Fähigkeiten zu bewegen. Dann bin ich angespannt, aber ich weiß, dass ich es grundsätzlich kann.

Und wenn du stürzt?

Das ist gar nicht so schlecht. Dann weiß ich genau, was passiert, wenn es schief geht. Das trägt auch zur inneren Ruhe bei. Also gehe hoch und versuche es ein nächstes Mal.

Es sei denn, du verletzt dich ernsthaft. Kannst du dich an deinen schwersten Sturz erinnern?

Puh, das ist nicht einfach. Ich bin in all den Jahren wirklich häufig gestürzt. Die schwersten Stürze hatte ich wohl mit dem Mountainbike. Da ist man viel schneller unterwegs. Und ich habe mich früher öfter mal außerhalb meiner Fähigkeiten bewegt, gerade dann, wenn ich mit Leuten gefahren bin, die besser waren als ich. Aber der schwerste Sturz? Ganz ehrlich, der fällt mir nicht ein.

Ist vielleicht die beste Lösung, die schweren Stürze einfach zu vergessen?

Kann sein. Vielleicht bin ich auch zu heftig auf den Kopf gefallen …

Bei den Stürzen, an die du dich erinnern kannst, hast du dir eine Menge Verletzungen zugezogen, alleine drei Mal das Schlüsselbein gebrochen, dazu einige Fußfrakturen und Bänderrisse. Ist das nicht ein hoher Preis für das, was du tust?

Überhaupt nicht, eher im Gegenteil. Ich werde doch auf keinen Fall das Radfahren aufhören, nur weil ich mich dabei verletze. Und ehrlich gesagt: So richtig stört mich das auch nicht. Verletzungen gehören einfach daz.

Stimmt es, dass du deine Finger nicht mehr durchstrecken kannst?

Das stimmt, aber das kam in dem Sinn nicht durch eine Verletzung. Ich halte mich einfach seit Jahren Stunde um Stunde am Lenker fest. Und so haben meine Hände ein Art Standardposition eingenommen. Wenn ich verletzt bin, kann ich die Zeit nutzen, um meine Finger wieder zu dehnen. Außerdem denke ich mir dann in Ruhe aus, was ich als nächstes tun könnte.

Was kommt dir da so in den Sinn?

Ohje, eine ganze Menge! In den vergangenen Jahren hatte ich glücklicherweise die Möglichkeit, viel rumzureisen und mir neue Orte anzusehen. Vancouver ist aufregend, unglaublich vielseitig. Dort ist fantastisches Street-Riding möglich. Noch dazu hast du das Meer und die Berge. Aber auch in Barcelona und Lissabon fahre ich gerne. Vielleicht will ich in eine dieser Städte ziehen.

Und dann kommst du eines Tages zurück und springst wie angekündigt von der Skye Bridge?

Eines Tages würde ich gerne von dieser Brücke springen, das ist richtig. Problem ist nur, die ist 41 Meter hoch. Wahrscheinlich ist es besser, ich warte noch ein paar Jahre damit.

Interview by Axel Rabenstein, published in SPORTaktiv 2/2012

 

DANNY MACASKILL WURDE AM 23. DEZEMBER 1985 IN DUNVEGAN AUF SKYE GEBOREN, EINER INSEL DER INNEREN HEBRIDEN (SCHOTTLAND). IM ALTER VON 17 JAHREN BEENDETE ER DIE SCHULE UND ARBEITETE ALS MECHANIKER IN EINEM FAHRRADLADEN IN EDINBURGH. AM 19. APRIL 2009 VERÖFFENTLICHTE ER EINEN VIDEOCLIP MIT DEM NAMEN „INSPIRED BICYCLES“ AUF DEM INTERNETPORTAL YOUTUBE, DER INNERHALB DER ERSTEN 40 STUNDEN 350.000 MAL ABGERUFEN WURDE. BIS 2020 ERREICHTE DAS VIDEO KNAPP 40 MILLIONEN KLICKS.

WWW.DANNYMACASKILL.CO.UK

 

Photos: Jan Kasl, Dave Mackison, Fred Murray, Cody Nutter, Rutger Pauw / Red Bull Content Pool